Agilität ist ein strapaziertes „Buzzword“. Ein erfahrener Geschäftsführer hat einmal gesagt: „Egal wie man es angeht, am Ende werden fast alle Projekte irgendwie agil…“ Er bringt damit auf den Punkt, was viele Führungskräfte und Mitarbeiter täglich erleben. Hoher Planungsaufwand zu Beginn von Projekten und im Projektverlauf permanent notwenige ad hoc Anpassungen. Egal ob man es mit herkömmlichen Projekt- oder mit Agilen Methoden versucht, der Weg zum Ziel ist so oder so nie eine gerade Autobahn.
Agile Produktentwicklung auf dem Prüfstand
Für viele ist Agilität eine Erfolgsformel für das 21. Jahrhundert. Ein Instrument zur Unternehmenssteuerung, eine Philosophie, eine Haltung, eine Methode oder schlicht ein Ansatz zur Personalführung mit dem Fokus auf Förderung von selbst organisierten Teams. Agiles Arbeiten macht Sinn, wenn zu Beginn einer Aufgabe der „Scope“, also der Umfang und das Ziel oder das Ergebnis nicht klar definiert werden kann. Änderungen absehbar sind und inkrementell und iterativ gearbeitet werden muss, um ans Ziel zu kommen. Ist es von Beginn an klar, was erreicht werden soll und wie man dabei vorgeht, arbeitet man am besten weiterhin mit den erprobten klassischen Projektmethoden.
Design Thinking: Aus Sicht des Nutzers
Stellen Sie sich vor, sie wissen zwar ungefähr was ihre Herausforderung ist, können jedoch noch nicht genau formulieren, was wirklich die Fragen sind, die zu beantworten sind. In diesem Fall starten viele Organisationen mit Design Thinking. Design Thinking zwingt Sie zwar zu Beginn eine Ausgangsfrage zu formulieren, fordert Sie jedoch rasch auf, diese radikal aus Sicht des Nutzers zu betrachten. Durch den Fokus auf den Nutzer und seine wahren Bedürfnisse gelingt in der Regel der notwendige Perspektivenwechsel. Weg von der „betriebsinternen“ Sichtweise hin zur Fragestellung, um die es wirklich gehen sollte. Der Kreativprozess und das anschließende „Bauen“ von Ideen und Dummys führt dazu, erste Konzepte und Vorstellungen rasch mit dem Nutzer überprüfen und weiterentwickeln zu können. Die Ergebnisse eines Design Thinking Prozesses werden lieblich auch „Shitty First Drafts“ genannt. Sie sind oft „nur ein erster Wurf“ auf einem Blatt Papier. Nicht mehr und nicht weniger.
Mit dem Design Sprint zum Prototypen
Der von Google entwickelte Design Sprint führt im nächsten Schritt zur radikalen Konkretisierung des Erstentwurfs. Meist komprimiert in 3 bis 5 Tagen wird, basierend auf der Design Thinking Logik, gemeinsam mit UX-Experten intensiv an der Weiterentwicklung des Prototypen gearbeitet. Der hohe Zeitdruck sowie die kurzen Arbeits-Rhythmen führen rasch zu herzeigbaren Ergebnissen und schließlich zu einem oder mehreren Prototypen. Entscheidet sich ein Unternehmen nun einen dieser Prototypen weiter zu verfolgen, nutzen sie häufig Scrum.
Richtig agil wird es mit Scrum
Voraussetzung dafür ist die klare Rollenaufteilung im Unternehmen. Der Produkt Owner sorgt mit seinem „Produkt Backlog“ für die genaue Abklärung der Anforderungen des Prototypen und bespricht diese, im vom Scrum Master moderierten, Planungsmeeting mit dem Team. Das Team schätzt und entscheidet danach welche Arbeitspakete bis wann umgesetzt werden sollen und setzt diese in einzelnen „Sprint Backlogs“ fest. Die wirkliche Arbeit passiert nun in den Sprints. Ein Kanban Board hilft meist dabei den Arbeitsfortschritt zu visualisieren. Regelmäßige Dailys, kurze Status-Meetings, geben die Möglichkeit die notwendige Informations-Transparenz im Team während der Sprints herzustellen. Der Scrum Master sorgt dafür, dass das Team uneingeschränkt und unbeeinflusst arbeiten kann. Schließlich werden herzeigbare Zwischenergebnisse in Reviews mit dem Nutzer getestet und weiterentwickelt. Ist das MVP (Minimal Viable Product) fertig, trifft das Management die Entscheidung, ob und wie ein „Proof of Concept“ durchgeführt werden soll. Nach dem Abschluss der Sprints moderiert der Scrum Master die Retrospektive. Dabei beleuchtet das Team die zurückliegenden Sprints und lernt die zukünftige Zusammenarbeit im Team zu verbessern.
Klare Rollen und Entscheidungen
Design Thinking, Design Sprints und Scrum kommen je nachdem, wie klar die Aufgabenstellung definiert werden kann nacheinander oder einzeln zum Einsatz. Alle drei Methoden arbeiten mit kleinen interdisziplinären Teams und einem Moderator. Spricht man im Design Thinking noch von einem Aufraggeber der Fragestellung, ist beim Scrum diese Rolle des Auftraggebers klar dem Product Owner zugschrieben. Um der Dynamik des Prozesses gerecht zu werden integriert der Design Sprint Entscheidungsträger punktuell in den Prozess. Sie treffen rasch die notwendigen Entscheidungen zu vorliegenden Zwischenergebnissen, damit das Team zügig weiterarbeiten kann.
Voraussetzungen für das Experimentieren schaffen
Temporäre und flexible Innovationsräume sind Voraussetzung für alle drei Arbeitsweisen, genauso wie die punktuelle Integration von Nutzern in den Entwicklungsprozess. Jede dieser Vorgangsweisen fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Mitarbeiter mit Nutzern, Stakeholdern, Partnern und relevanten Akteuren. Richtig angewandt brechen sie mit vorherrschenden Mustern der Entscheidungsfindung und fördern das Experimentieren. Aufgrund der Fokussierung auf das rasche Skizzieren von Lösungen ist es möglich, Ideen zu erforschen, die vom Management mit großer Wahrscheinlichkeit sofort abgelehnt werden würden. Prototyping und Sketching reduzieren zudem Kosten. Kombiniert mit Nutzertests erhöht die agile Produktentwicklung die Chance, dass Vorschläge und Lösungen tatsächlich realisierbar sind.